Inhalt:

Wer sind Sie für Ihr Pferd?    
Was mich bewegt
Hier sind wir bei der Motivation   
Was treibt Pferde dazu, sich zu verhalten, wie sie es tun?  
Auf Pferden reiten  
Fakten 
Alles beginnt in dem Moment........ 
Beispiele aus dem Alltag 
Als was soll Ihr Pferd Sie betrachten? 
Schlüsselsituationen  
Das Recht auf freie Meinungsäußerung  
Faktoren, die wichtig für effektive Lösungen sind
Futterneid

 

 


 

Wer sind Sie für Ihr Pferd?

 

Jeder, der mit Pferden zu tun hat weiß, dass Pferde nicht als fertig ausgebildete Lastenträger zur Welt kommen. Um einen Reiter auf seinem Rücken zu dulden und zu tragen, braucht es einiges an Vorbereitung und Grundausbildung.
Dies wird auf unterschiedlichste Weise praktiziert und im Laufe meines Reiterlebens habe ich viele unzureichend ausgebildete Pferde erlebt, die Probleme hatten, die Anforderungen des Menschen zu erfüllen.
 
Viele Pferde zahlen einen hohen Preis, nämlich ihre Gesundheit, für den Menschen. Was gibt ihnen der Mensch dafür???
 
Sporenstiche, zu eng verschnallte Hilfszügel, Schläge, unartgerechte Lebensumstände, unfaire Bestrafungen usw.
Ich frage mich oft, welche Gründe die Menschen dafür haben, dass sie Pferden Schmerzen und Gewalt, egal ob physischer oder psychischer Natur, zufügen - mit dem Ziel, auf dem Rücken der Pferde das Glück der Erde spüren zu dürfen.
Pauschal gesagt: Den Hauptgrund sehe ich im Egoismus des Menschen, der lebendige Kreaturen dazu benutzt um sich selbst aufzuwerten.
 
Dabei kann es unendlich erfüllend und gewinnbringend sein, sich intensiv mit Pferden zu beschäftigen und zu lernen, wie man sie auf natürliche, schonende Art und Weise zu freudig motivierter Mitarbeit erziehen kann, die ich als beste Grundlage für jede weitere Ausbildung erlebt habe.
Das hat in keiner Weise etwas mit Pferdegeflüstere oder irgendwelchen Methoden zu tun, die man sich käuflicherweise in Seminaren von verschiedenen Gurus aneignen kann.  
Ich bin der Meinung, Kenntnis der Ethologie und Psychologie des Pferdes sind die wichtigsten Werkzeuge hierfür. Man muß nicht ständig strickwedelnd, gertenschwingend oder gar scheuchenderweise seine eigene Macht und Dominanz gegenüber Pferden beweisen, wenn man begriffen hat, wie sich Pferde in der Natur wann, warum, wie verhalten und wie das Lernverhalten funktioniert.
 
Xenophon ist in meinen Augen ein Pferdeausbilder im Sinne des Pferdes gewesen und das Wissen und Verständnis um seine Grundsätze sollte jedem Reitschüler von Anfang an zur Bedingung gemacht werden.
 
 
Die folgenden „Ausbildungsgrundsätze” geben Xenophons Prinzipien in knapper Form wieder;
sie sind das Ergebnis eingehender Interpretation von Dr. Klaus Widdra, aus: Xenophon- Reitkunst, Wu Wei Verlag 2007; S. 21.
 
  1. Dein Pferd sei zuverlässiger Freund, nicht Sklave!
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  2. Widme seiner Ausbildung so viel Aufmerksamkeit, als ginge es um deinen eigenen Sohn.
    Achte darauf, dass Körper und Seele deines Pferdes sorgfältig geschult werden. Es soll sich durch Leistungsvermögen und Zuverlässigkeit auszeichnen..
    Seine charakterliche Prägung und Formung sei dir besonders wichtig!
    Präge es von seinen ersten Lebenstagen an so, dass es zu dir tiefes Vertrauen fasst, dich respektiert und dir gehorcht. Mache Dein Pferd menschenfreundlich! Es soll dich geradezu lieben
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  3. Bringe es zu Arbeitsfreude und freiwilligem Gehorsam!
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  4. Sei achtsam und nimm auf seine Bedürfnisse Rücksicht!
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  5. Setze alles daran, dich deinem Pferd verständlich mitzuteilen. Es soll Deine „Sprache“ verstehen!
    Belohnung und Strafe sind die einzigen Erziehungsmittel. Aber Belohnung hat unbedingt Vorrang. Belohne jede besondere Leistung und jeden Lernfortschritt - am besten, indem du ihm eine Pause gönnst oder die Arbeit beendest.
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  6. Langweile dein Pferd nicht! Variiere die Arbeit, biete ihm unterschiedliche Anregungen. Reite es nicht nur in der Bahn, trainiere es im Gelände, beim Springen und auf der Jagd.
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  7. Arbeite an deiner eigenen körperlichen und charakterlichen Schulung!
    Bemühe dich um einen korrekten, von der Bewegung des Pferdes unabhängigen Sitz, der dir bei jeder Übung, jedem Tempo und in jedem Gelände ein kontrolliertes Einwirken auf das Pferd ermöglicht. Deine Hand darf unter keinen Umständen das Pferd im Maul stören.
    Erziehe dich dazu, in jedem Fall Ruhe zu bewahren, und deine Emotionen zu kontrollieren. Gib Zornausbrüchen keinen Raum.
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  8. Mach dir klar, dass die Lektionen der höheren Dressur keine Kunststücke sind, die du deinem Pferd mit Hilfe unnatürlicher Zwangsmittel beibringen kannst. Sie sind Formen der imponierenden Selbstdarstellung des Pferdes, die es in besonderen Erregungszuständen vor seinen Artgenossen von sich aus zeigt.
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  9. Dein Pferd soll Freude bei seiner Arbeit empfinden und in seinen Bewegungen und seiner Haltung Begeisterung zum Ausdruck bringen.
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  10. Versuche nicht, dein Pferd durch stark rückwärts wirkende Zügeltätigkeit oder andere Zwangsmittel zu versammeln und aufzurichten. Reite bestimmt vorwärts bei leicht anstehendem, im entscheidenden Moment nachgebendem oder hingegebenem Zügel.

 

 

Was mich bewegt 

Wer mit Pferden zu tun hat steht täglich vor Situationen, in denen er das Verhalten von Pferden in eine von uns Menschen gewünschte Richtung lenken muss.

In unzähligen Büchern haben Pferde-erfahrene Autoren ihre Erfahrungen geschildert und beschreiben "ihre gefundenen Methoden", die es weniger erfahrenen Pferdemenschen erleichtern sollen, Pferden etwas beizubringen, Verhaltensprobleme zu händeln und zu korrigieren. Keiner von ihnen hat "das Rad neu erfunden". Manche Methoden wurden aus Beobachtungen der "natürlichen" Verhaltensweisen von Pferden entwickelt und abgeleitet. Inzwischen gibt es Pferdeflüsterer wie Sand am Meer, wovon einige es ausgezeichnet verstehen, sich und ihr Konzept erfolgreich zu vermarkten.

Vielen Pferden wurde dadurch geholfen, andere zeigen sich als "unverbesserlich", oder der Pferdebesitzer scheint unfähig, das ausprobierte Konzept richtig in die Praxis umzusetzen.

Meist ist weder das Eine, noch das Andere zutreffend. Es passt nicht jedes Konzept für jedes Pferd oder jeden Menschen. Wer erfahren und flexibel genug ist, ist in der Lage, sich aus der Vielzahl von Methoden die für ihn und sein Pferd am besten passenden Einzelteile herauszusuchen und anzuwenden. Wer dies (noch) nicht ist, dem kann möglicherweise geholfen werden. Wie????

Indem er so viel als möglich über Pferde lernt, sich informiert, Erfahrungen sammelt und nicht einfach „hörig“ alles übernimmt, was man ihm versucht weiszumachen. 

Mir persönlich reichte es irgendwann einmal nicht mehr, mich mit teilweise pauschalen Interpretationen und Verhaltensbewertungen, wie zB: "der ist dominant", die ist "zickig", "das Pferd braucht eine "starke Hand", usw. abzufinden und fremde Interpretationen ohne sie zu hinterfragen, anzunehmen. Ich wollte die Zusammenhänge verstehen, wieso die eine Vorgehensweise bei diesem und beim anderen Pferd wiederum nicht klappt, wieso sich ein Pferd in einer bestimmten Situation auf die eine Art, das andere wieder ganz anders verhält, wieso sie so unterschiedlich auf oft dieselben Reize und Umgangsformen reagieren.

Da ich beruflich als Erzieherin psychologisch und pädagogisch "vorbelastet" bin finde ich es sehr aufschlussreich, mich meinen Fragen von dieser Seite her anzunähern und zu versuchen, vielen Sachen selbst auf den Grund zu gehen.

Dabei stieß ich unter anderem auf Wörter wie Motivation , Handlungsbereitschaft, Ethologie, Lerntheorie, insbesondere klassische - und operante Konditionierung, Verhaltensbiologie, Ressourcen, und Vieles mehr. Außerdem verbringe ich auch heute noch, genauso wie alle Jahre zuvor, fast meine ganze Freizeit mit dem Beobachten von Pferden mit ihren Menschen und höre nicht auf, sämtliche Informationen förmlich in mich aufzusaugen.

Auf der Basis dieser ganzen Informationsflut und vielfältiger, eigener Erfahrungen finde ich es viel "einfacher", Pferde dahingehend zu beeinflussen, sich auf gewünschte Art und Weise zu verhalten, wobei es mich gleichzeitig oft traurig macht mit anzuschauen, wie mancherorts Pferde auf eine unreflektierte Weise von Menschen abgeurteilt, bewertet, in Raster gepresst und behandelt werden, ohne in ihrer faszinierenden Individualität wahrgenommen zu werden.

Dabei IST es sogar wirklich einfach, einem Pferd verständlich mitzuteilen, was man von ihm will, ohne irgendeine x-beliebige Methode zu erlernen und anzuwenden, wenn man durchschaut, WESHALB ein Pferd auf "seine" Art und Weise agiert und reagiert.

 

 

Hier sind wir bei der Motivation.

Was veranlasst ein Pferd zu seiner Handlung? Was bewegt das Pferd dazu, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen, zu verweigern, den Reiter abzubuckeln, die Box kurz und klein zu schlagen, den Menschen am Strick durch Sonne, Mond und Sterne zu zerren, zu steigen, durchzugehen, zu schnappen und beißen, auszuschlagen usw.?????
 
Kein Pferd ist boshaft, möchte den Menschen verarschen oder ärgern. Leider neigen Menschen dazu, Verhaltensweisen aus ihrer eigenen, menschlichen Sicht heraus zu interpretieren.
Ja, wir Menschen können durchaus boshaft sein, uns gegenseitig absichtlich an der Nase herumführen usw.
Das Pferd jedoch handelt nicht berechnend, sondern einzig und allein, in jedem Moment seines Lebens, so, wie es handeln muss, um seine Unversehrtheit zu erhalten. Es tut in jedem Moment seines Lebens genau das, was es in diesem Moment für überlebensnotwendig empfindet.
 
Ein Pferd strebt auch nicht die Weltherrschaft an oder möchte der Chef über seinen Menschen sein.
Das Pferd will sich sicher fühlen und braucht den Schutz und die Geborgenheit in der Gruppe unter der Leitung eines souveränen und gerechten Anführers.
 
Einer willensstarken Persönlichkeit, die es stets fair behandelt, ordnet es sich wie selbstverständlich unter. Nicht nur, weil eine solche Persönlichkeit immer seinen Willen durchsetzen kann, sondern weil diese sich als gelassen, erfahren, sozial, gerecht und verantwortungsbewusst zeigt.
 
Um dies verstehen zu lernen brauchen wir Kenntnis über die Ethologie des Pferdes.

Wenn wir mehr darüber lernen, was ein Pferd braucht um sich sicher, geborgen und wohl zu fühlen, können wir viel fairer mit ihren Handlungen umgehen und ihr Verhalten, für das Zusammenleben in der Zivilisation notwendig, effektiver und nachhaltiger beeinflussen. Es gilt, ihre Handlungsbereitschaft zu verstehen und in die von uns gewünschte Richtung zu beeinflussen.

 

 

Was treibt Pferde dazu, sich zu verhalten, wie sie es tun? 

Triebe, Instinkte, Erfahrungen, Reize.

Das Verhalten wird  intrinsisch und extrinsisch gesteuert, was nichts anderes bedeutet, dass der Beweggrund aus einem inneren Bedürfnis heraus kommt oder auch die Handlung durch einen Reiz von außen eingeleitet und angetrieben wird. Dabei ist die Kenntnis um die Ressourcen, die für ein Pferd wichtig sind, ebenfalls ein überlebenswichtiges Thema . Ressourcen sind zB Futter, Raum für die Individualdistanz, Sozialpartner, Wasser, geschützte Unterstellmöglichkeiten.

Infos über Triebe und Instinkte des Pferdes finden Sie hier =>pferdeinfos.triebe 

 

Auf Pferden reiten 

Nun wollen wir Menschen uns auf den Rücken des Pferdes setzen und verlangen von ihm, dass es uns gelassen und gehorsam über Stock und Stein trägt, auf unsere "Hilfen" reagiert und bereitwillig die Gangart einlegt, die wir fordern. Dies bedarf aus mehreren Gründen intensiver Vorarbeit, wenn wir ein Pferd zu einem zuverlässiges Verlasspferd ausbilden wollen, das später einmal auch missverständliche, ungeschickte Hilfen von weniger guten Reitern tolerieren soll.  

Zuverlässig ist in meinen Augen ein Pferd nur dann, wenn es in der Lage ist, auch unter schwächeren Reitern motiviert, leistungsbereit und gelassen zu laufen, ohne in zwiespältigen, brenzligen Situationen selbst die Entscheidungen für Flucht oder Abwehr treffen zu wollen. 

In jungen Jahren, als mein Hinterteil noch weniger breit und mein ganzer Körper durchtrainiert und gesund war, fühlte ich mich stolz, auch buckelnde, sich massiv widersetzende Pferde quasi "bezwingen" zu können.
Klar doch:
Ich war eine "starke" Reiterin, unerschrocken, mit viel Erfahrung und reiterlichem Können. Ich war in der Lage, das Buckeln auszusitzen und unter mir und anderen "starken" Reitern, ließen diese Pferde dieses störende Verhalten mit der Zeit fast vollständig bleiben. Damals war ich überzeugt davon, dass das der richtige Weg sei und ich meinte, mein Ziel erreicht zu haben. Ich und viele andere schätzten solche Pferde als etwas schwieriger ein und bewerteten sie als geeignet für gute Reiter, jedoch nicht für unerfahrene, schwächere Reiter.

Das war meine Überzeugung, die ich jahrelang vertrat................bis ich im Laufe der Zeit von mehreren Pferden eines besseren belehrt wurde. 

Heute weiß ich:

Alle diese Pferde hatten ihre Gründe sich zu widersetzen und der Grund, warum sie unter "stärkeren" Reitern nicht mehr buckelten, war: 
 
Unter starken Reitern hatten die Pferde gelernt, dass das Buckeln ihnen nicht den gewünschten Erfolg bringt, nämlich den störenden Ballast auf ihrem Rücken, loszuwerden.
Sanktionen, wie kraftvoller Schenkel, Gerten und Sporeneinsatz, die in "schweren Fällen" eingesetzt wurden, um dem Pferd das Buckeln zu verleiden, lehrten die Pferde, ihre natürliche Reaktion, nämlich das Buckeln, aus Furcht vor Schmerz, zu unterdrücken.
Bis zu einem gewissen Maß wurde aus solchen Pferden durchaus gut reitbare, kooperative und leistungsbereite Pferde, jedoch nur begrenzt, unter gewissen Bedingungen, mit Reitern auf ihren Rücken, die sich durch das Buckeln nicht einschüchtern ließen.
 
Damals war ich noch nicht gewillt und in der Lage, "über den Tellerrand hinaus zu schauen". Ich war der Ansicht, das, was ich bisher gelernt hatte sei ausreichend und ich wollte mich nicht mit Theorien auseinandersetzen.
Zu viel Theorie hatte in meinen Augen nicht viel mit Reiten und Pferden zu tun. Theorien hätten damals meiner Ansicht nach Pferde zu sehr „entzaubert“, auf theoretisches Funktionieren reduziert und alles verkompliziert.
Die Grundlagen meinte ich zu wissen und Praxiserfahrung hatte ich meiner Meinung nach genügend gesammelt. Schließlich kam ich auch mit schwierigen Pferden bestens zurecht.
 
Heute, nachdem mich die Pferde eines Besseren belehrt haben, weiß ich, wie ignorant, eingebildet und engstirnig ich damals oft mit Pferden und Menschen umgegangen bin.
Jedes einzelne der früheren Pferde hatte seine Gründe für sein Verhalten und es hätte für jedes einzelne die Möglichkeit gegeben, nicht mehr "rumzicken zu müssen und widersetzlich zu sein".
Dazu musste ich erst begreifen, dass in Theorien Wahrheiten, also unbestreitbare Fakten stecken, die ich lernen, verstehen, annehmen und anwenden kann.  

Einer dieser Fakten ist:

Kein Pferd widersetzt sich aus den Gründen, die wir Menschen so oft allzu menschlich interpretieren. Da werden Pferde als "sture Böcke" bezeichnet, als stinkfaul, als unwillig, als boshaft, als Drückeberger usw. Nichts davon ist zutreffend und der Beweggrund, weshalb das Pferd den Reiter beispielsweise abzubocken versucht.

Fakt ist:

Das Pferd tut genau das, was es instinktiv tun MUSS, um sich in den überlebensnotwendigen Zustand von Unversehrtheit und das Empfinden von "Wohl" zu begeben. 

Für mich stellt sich bei "buckelnden Pferden" nun nicht mehr die Frage, wie reite ich ein buckelndes Pferd oder wie mache ich ein buckelndes Pferd halbwegs oder für „gute Reiter“ reitbar, sondern: 

Wie bilde ich ein buckelndes, sich widersetzendes Pferd zu einem Pferd aus, das nicht buckeln und sich widersetzen will, sondern den Menschen gerne und bereitwillig, in jeder Lebenslage, auf seinem Rücken trägt oder ihm folgt..........und zwar nicht nur die Reiter, die ihm potentiell Furcht einjagen können, sondern auch schwache Reiter, die aus Unsicherheit heraus manchmal im Pferd ein Empfinden von Unwohlsein auslösen können.  

Das wichtigste Werkzeug hierfür ist:

Wissen und die Fähigkeit, es anwenden zu können. Beides erfordert, sich auf einen eigenen Lernprozess und auf einen eigenen Entwicklungs- und Reifeprozess einzulassen.

 

Um sich eine Grundlage des Wissens anzueignen fordere ich Sie auf, sich zu informieren.  

Ein Pferd beeinflussen, dass es gerne das tut, was Sie wünschen, können Sie nur, wenn Sie Kenntnis darüber besitzen, wie"Pferde ticken", welche Bedürfnisse sie haben, was in Ihnen vorgeht, wie sie lernen, wie sie, naturgegeben, auf die unterschiedlichsten Reize reagieren müssen, weil es genetisch in ihnen verankert ist.

Es liegt mir fern, Gebrauchsanweisungen zu beschreiben. Es gibt niemals eine Gebrauchsanweisung für ein Lebewesen, weil jedes Einzelne, trotz gemeinsamer Grundbedürfnissen, eine individuelle Persönlichkeit ist und bleiben wird. Ich möchte Ihnen jedoch ans Herz legen, jede individuelle Pferdepersönlichkeit besser einschätzen zu lernen, was Ihnen den Umgang und das Reiten erleichtern wird.

Außerdem sind unter Umständen durch Veranlagung, Körperbau, Traumata, Krankheiten usw. Grenzen gesetzt, in dem, was erreichbar ist. Ich finde, diese Grenzen sollte man akzeptieren. 

Alles beginnt in dem Moment, in dem Sie in das Leben "Ihres" Pferdes treten, nicht erst, wenn es eingeritten und ausgebildet wird. Ihr Pferd nimmt Sie in jedem Moment so wahr, wie Sie sind.......nicht, wie Sie sich geben oder gerne Sein oder wahrgenommen werden wollen.

Ihr Pferd lernt nicht nur dann, wenn Sie versuchen, ihm etwas beizubringen, sondern es lernt in jeder Sekunde seines Lebens und des Zusammenseins mit Ihnen etwas über Sie. Das sollte Ihnen allgegenwärtig und bewusst sein.

Möchten Sie wissen, auf welche Art und Weise Ihr Pferd Sie und seine Umwelt wahrnimmt?

Dann fangen Sie an und suchen sich Informationen, wie die einzelnen Sinne der Pferde funktionieren. Wie sehen, hören, riechen, schmecken, empfinden Pferde? Was macht ihnen Angst, was verunsichert sie, was fressen sie gerne, wie funktionieren ihre Organe, ihr Körper, was tut ihnen gut, wie verhalten sie sich in verschiedenen Situationen unter natürlichen Lebensbedingungen?

 

Beispiele aus dem Alltag:

 

1. Buckeln, Steigen und Widersetzen beim Reiten

....oder der Mensch als Raubtier auf dem Rücken der Pferde

 

Hier kommt in erster Linie der Selbsterhaltungstrieb als intrinsische Antriebsfeder zum Tragen, neben dem Angsttrieb und dem Fluchttrieb, .

Das Pferd ist als Fluchttier in der freien Natur das Beutetier, während der Mensch einer Gattung angehört, die den Raubtieren, also den Beutegreifern, zuzuordnen ist. Dem Verhalten von Fluchttieren und dem von Raubtieren liegen spezifische Unterschiede zugrunde. Dementsprechend drücken sie sich zum Teil in ihrer Körpersprache und auch ihren Interaktionen sehr unterschiedlich aus.Raubtiere fixieren ihre Beute mit den Augen, schleichen sich an und gehen frontal, bzw. direkt, gradlinig, blitzschnell zum Angriff über. Dabei beißen sie sich im Pferd fest.

Pferde werden meist erlegt, indem einzeln jagende Raubtiere, wie zB Pumas, ihnen auf den Rücken springen, um sie durch den Biss in die Halswirbelsäule und den Hals außer Gefecht zu setzen. Andere wiederum, die in Verbänden jagen, wie Wölfe, beißen in Bauch, Beine und Kehle, um das Pferd zu Fall zu bringen. Die einzigen Waffen der Pferde sind die Hufe und bestenfalls die Zähne, die jedoch im Vergleich zum Raubtiergebiss nicht viel ausrichten können. Mit dem Puma auf dem Rücken bleibt höchstens noch Buckeln zur Abwehr, aber Flucht ist nicht mehr effektiv, ebenso wenig, umkreist von einem Rudel Wölfe.

Beabsichtigen wir, uns auf den Pferderücken zu setzen, dann wird das vom Pferd unter gewissen Voraussetzungen entspannt akzeptiert oder aber auch mit Abwehrverhalten quittiert werden. Je nachdem, wie "sauber", korrekt und auf welcher Basis man das Pferd darauf vorbereitet hat.

Hat das Pferd uns im Umgang und bei der Bodenarbeit als potentielles Raubtier kennen gelernt, ist der Grundstein dafür gelegt, dass wir das Pferd in seinen Instinkthandlungen, wie zB Flucht und Buckeln, stets mittels körperlichen Einwirkungen sanktionieren und einschüchternd unter Kontrolle halten müssen.

In Konfliktsituationen wird ein auf diese Weise abgerichtetes Pferd nicht auf uns als verantwortlichen Partner vertrauen, sondern versuchen sich zu entziehen. Deutlich wird dies, wenn zB bei einem Gruppenausritt im Gelände die anderen Pferde voraus galoppieren, scheuen oder etwas verweigern. In solchen Situationen braucht der Reiter die Möglichkeit, dieses Pferd über Gebisseinwirkung, evtl. Sporen und Gerteneinsatz daran zu erinnern, dass es auf seine Kommandos achten und sie ausführen muss. Das Pferd bezieht sich nicht von sich aus auf seinen Reiter, sondern wird vom Herdentrieb gelenkt. Dies bedeutet immer wieder Machtkämpfe, oft das Reitpferdeleben lang.

 

 

Als was soll Ihr Pferd Sie betrachten?
 
 
Angesichts der modernen Diskussionen über Dominanz und Machtverhältnisse zwischen Pferd und Mensch und der weit verbreiteten Ansichten bezüglich dessen, dass sich das Pferd nur demjenigen vertrauensvoll anschließen kann, den es absolut respektiert, habe ich mich jahrelang intensiv mit diesem Thema beschäftigt.
Dabei lernte ich unterschiedliche "Führungsstile" mit unterschiedlichen Auswirkungen kennen.
 
-Autoritärer Führungsstil.....falsch verstandene Dominanz?:
Hier wird kompromisslos gefordert, dass das Pferd unmittelbar den Forderungen des Menschen nachkommen muss.
Dies wird meist durch methodisches Vorgehen erreicht, das in erster Linie auf Übungen aufbaut, die das Pferd beispielsweise zum gehorsamen Weichen in alle Richtungen bringen sollen.
Der Mensch wedelt fleißig mit Stricken und Stecken, übt sich selbst im Wahrnehmen von Anzeichen der Verweigerung, damit er mit der Zeit in der Lage ist, jeglichen Widerspruch des Pferdes unmittelbar unterbinden zu können.
Begründet wird dies damit, dass auch in der Natur der Rangniedrige dem Ranghohen zu jederzeit weichen muss und ein Nichtbefolgen bei Pferden unter sich deutlich spürbare Sanktionen des Ranghohen dem Rangniedrigen gegenüber zur Folge hat.
Selbstverständlich ist das ein zutreffendes Beispiel aus dem natürlichen Verhaltensrepertoire von Pferden.
 
Doch der Mensch berücksichtigt dabei viel zu wenig, dass pferdische Kommunikation und pferdische Interaktionen neben diesem einen Aspekt der Klärung der Rangfolge noch viel mehr beinhalten.
Dieser einzelne Verhaltensablauf ist aus dem Zusammenhang gerissen, nämlich dem Zusammenhang des Großen und Ganzen, der ein Pferdeleben mit Artgenossen ausmacht.
Da wird nicht nur "gewichen", "gedroht" und "bestraft".
Zwischen Pferden untereinander spielt sich viel mehr ab.
Sie suchen positive Sozialkontakte, beschwichtigen, betreiben gegenseitige Fellpflege, kommunizieren mittels vielfältiger, feiner Signale miteinander, gehen Partnerschaften ein und äußern sehr wohl unter natürlichen Bedingungen auch ranghöheren Pferden gegenüber ihren Missmut in vielen Situationen des Zusammenlebens, was souveräne Leittiere durchaus auch oft akzeptieren.
Außerdem sollten wir Menschen uns darüber im Klaren sein, dass die Pferde meist mindestens 22 Stunden am Tag ohne uns verbringen, wohingegen Pferde in der Natur 24 Stunden am Tag und in der Nacht miteinander agieren.
 
Denken Menschen wirklich, dass sie Pferde "pferdegerecht" dominieren können, indem sie versuchen, selbst zu einer Art behindertem, zweibeinigem Pferd zu mutieren, dem wichtige Körperteile wie Schweif, Ohren, Nüstern usw. fehlen, um mittels verständlicher pferdischer Signale mit diesen, ihnen artfremden Tieren zu kommunizieren? - Leider erlebe ich das immer wieder.
 
Sobald ein Pferd nicht so spurt, wie der Mensch es haben will, wird das Verhalten des Pferdes als dominant interpretiert und der Mensch ergreift Maßnahmen, die das Pferd dazu zwingen, Verhaltensweisen in Situationen zu zeigen, die dem Pferd in genau diesen Situationen eigentlich artfremd sind.
Da wir jedoch keine Pferde sind und nicht mit ihnen in der Herde leben und kommunizieren, haben wir Menschen Hilfsmittel und Tricks erfunden.
Dinge und Handlungsweisen, die UNS helfen sollen, unsere Unzulänglichkeiten zu kompensieren, um die vollkommene Macht über die Pferde zu erlangen.
 
Damit zB ein Pferd "lernt", ruhig und gelassen alleine in seiner Box zu stehen, mit oder ohne Sichtkontakt zu seinen Artgenossen, wird es in der Box oder am Putzplatz angebunden, oft sich selbst überlassen, bis es den aussichtslosen Kampf gegen das separat Eingesperrt oder Angebunden sein, aufgegeben hat.
Eine Methode, die durchaus meist den Erfolg bringt, den der Mensch erzielen will und der Großteil der Pferde, die ich kennen gelernt habe, lernte auf diese Weise das alleine Angebunden und alleine Abgestellt sein.
Das Pferd steht künftig brav, ruhig und Schicksalsergeben alleine in der Box oder dort, wohin der Mensch es angebunden hat. Es lernt dabei auch, dass der Mensch die Macht hat, darüber zu bestimmen, wann es welche Sozialkontakte pflegen darf und nimmt darum bereitwillig den Menschen als Ersatz für Artgenossen an, wenn der Mensch Pflegearbeiten an ihm durchführt. 
 
Eine kurze, unkomplizierte und nachhaltig wirksame Methode, die noch keinem Pferd geschadet hat??????
Oberflächlich betrachtet: Ja
 
Doch leider kommen manche physischen und psychischen, negative Folgen dieser Vorgehensweise meist erst viel später ans Tageslicht.
Nämlich dann, wenn sich beispielsweise mit der Zeit wegen verrenkter Wirbel, die sich das Pferd beim aussichtslosen Machtkampf mit dem Anbindestrick zugezogen hat, schmerzhafte Blockaden entwickelt haben, die oft erst durch Probleme beim Reiten bemerkt werden. Selten wird der Zusammenhang mit der ursprünglichen Situation erkannt.....und doch besteht der Zusammenhang, der in vielen Fällen nachgewiesen wurde!
 
Was hat das Pferd in der Situation, in der es so "gelernt" hat, alleine zu stehen, wahrgenommen?
 
Seine eigene Machtlosigkeit und Hilflosigkeit, wenn es eingesperrt und/oder angebunden ist und seinen essentiell wichtigen, überlebensnotwendigen Trieben nicht nachkommen zu können.
Zum einen dem Herdentrieb und da es durch Boxenwände und/oder Strick, manchmal auch Kette, auf engem Raum fixiert wird, wird ihm eine weiterer, ebenso wichtiger Trieb in dieser Situation "abgewöhnt": der Fluchttrieb.
Während es sich durch die Versuche, sich aus der Fixierung zu befreien, selbst Schmerzen zufügt, an der Flucht jedoch gehindert ist, erleidet es Platzangst und steht in dieser Situation unter immensem Streß.
Man konfrontiert bei dieser Methode das Pferd mit Gewalt mit einer Situation, die in ihm ein Empfinden von höchster Lebensgefährdung auslöst.
Die natürlichen, biologischen Reaktionen, die dabei im Pferd ablaufen, sind einem Trauma gleichzusetzen, mit dem Erfolg, das Pferd durch erlernte Hilflosigkeit gefügig gemacht zu haben. 
 
Mensch freut sich: Pferd steht brav, gehorsam, willig -
- oder willenlos gemacht???
 
Sein instinktiver Wille, dem Herden-, dem Flucht,- dem Überlebenstrieb nachzukommen, wurde erfolgreich gebrochen. Genau das, meint der Mensch, ist Ziel und unbedingt Vonnöten, wenn ein Pferd gefahrlos im Alltag gehändelt werden können soll.
 
Bei manchen Pferden geht diese Methode gehörig in die Hose. Wer kennt sie nicht, die "sturen" Gäule, die Meister im sich Losreißen geworden sind, teure Halfter und Stricke zerfetzen und trotz intensivster Bemühungen seitens des Menschen, nicht aufhören herumzuhibbeln und jede Gelegenheit zu nutzen, sich mit aller Kraft in die Seile zu werfen, bis das Material nicht mehr standhält und sich die Pferde dabei oft sogar überschlagen.
Haben diese "Sturköpfe" es nie richtig „beigebracht“ bekommen? Sind die dickköpfiger als andere?
Brauchen diese unverbesserlichen Exemplare gehörig eins auf den Pferdepopo, damit sie das sich Losreißen aufgeben?
Die meisten Pferdeleute werden nun eifrig nickend bejahen, denn auf diese Art, mittels schmerzhafter Schreckeinwirkung von hinten, haben sie schon viele „Aufhänger“ erfolgreiche "kuriert" oder zumindest miterlebt oder gehört, dass das "funktioniert".
Oh ja, auch ich habe früher nicht mit der Wimper gezuckt, wenn es darum ging, solchen „Rüpelpferden“ Manieren beizubringen.......zum Schutz und Wohle von Mensch und Tier........davon war ich damals überzeugt.   

Meiner ersten Stute wurden auf diese zwang-und gewaltvolle Art leider viele Dinge "gelehrt". Was sie jedoch nicht daran hinderte, zwar überall gehorsam und gelassen angebunden oder in der Box alleine abgestellt werden zu können. Sie fand jedoch andere Situationen in denen sie versuchte, ihren Willen durchzusetzen. 
Nämlich dort, wo er noch nicht gebrochen worden war - und ich mich nicht als souveräner, verantwortungsbewußter Anführer verhielt.

 

ZB beim Führen:
Sogar mit Steigergebiss, in der Hand eines erfahrenen Reitschulbetreibers, hörte sie nicht auf zu Steigen, selbst wenn ihr Maul blutig eingerissen war.
Ich hatte mehrere Wochen mit Lungenentzündung flach gelegen und danach schien es, als wäre mir das „Biest“ über den „Kopf gewachsen“.

Solange ich jedoch noch die „herkömmlichen“ Methoden bei ihr anwendete, die bei den meisten Pferden durchaus schnelle, nachhaltige Erfolge bringen, blieb sie in vielen Situationen unwillig bis gefährlich und unberechenbar. 

Beim Longieren griff sie steigend an, was ihr an Doppellonge abgewöhnt wurde, indem sie beim Ansatz zum Steigen herum gerissen und rückwärts zu Fall gebracht wurde. 

Mehrmals und immer wieder wurde dies provoziert und durchexerziert, unterstützt durch heftige Peitschenhiebe, bis sie es aufgab und sich beim Longieren nicht mehr traute zu steigen. 

Das hieß noch lange nicht, dass damit das Problem des Durchgehens und Steigens beim Reiten gelöst war..............usw............

Für "starke" Reiter war sie eine Herausforderung und es machte einen schon stolz, so ein schwieriges Pferd unter Kontrolle halten zu können und als Sieger aus den Machtkämpfen hervor zugehen, die sie immer wieder "herausforderte".

Aber es war auf Dauer nicht das, was ich haben wollte.

 

 

 

 

 

 

Ich wollte ein Pferd unterm Hintern haben, auf das ich mich verlassen kann und mit dem ich entspannte Geländeritte genießen und auch mal an einer Fuchsjagd teilnehmen konnte, ohne ständig kämpfen zu müssen.
Erfahrene Pferdemenschen, die mit ihr im ersten Jahr, nachdem ich sie kaufte zu tun hatten, prophezeiten mir, dass dieses Biest niemals ein familientaugliches Verlasspferd werden würde.
Sie sei und bleibe ein potentieller "Verbrecher".
 
Da haben sie sich gehörig geirrt! Als ich nämlich anfing, meinem eigenen Gefühl und meinem eigenen Verstand zu vertrauen und genauer zu beobachten und zu hinterfragen, entwickelte sie sich zu einer, gelassenen und äußerst leistungsbereiten Pferdekameradin, die sogar in vielen Situationen sehr gut aufpasste, mich nicht zu verlieren oder zu gefährden.
Auch Kinder konnten sie reiten und sie diente vielmals als Longenpferd für Anfänger.
 
Nicht dadurch, dass sie so viel Gewalt erlebt hatte, sondern erstaunlicherweise, trotzdem sie in vielen Situationen, jedoch nicht in ihrer vollständigen Persönlichkeit gebrochen worden war, wurde aus ihr ein wohlerzogenes, kooperatives, ungefährliches Reitpferd.
 
Bis heute ist mir kein Pferd mehr begegnet, dass mir je diese Sicherheit vermittelt hat, wie sie es auf unseren stundenlangen Geländeritten, oft ohne Sattel, getan hat.
Ihre Bewegungen waren butterweich, unverkrampft und aus einem ehemaligen Durchgänger und Steiger wurde ein Pferd, das auf feinste Signale und Stimmkommandos unmittelbar reagierte, selbst neben Schnellstraßen, durch Ortschaften oder bei Gruppenausritten, bei denen andere Pferde zickten und durchgingen.
 
 
Wie?
 
Ich hörte auf, gegen sie zu kämpfen und fing an, sie zu verstehen und mich für sie einzusetzen. Das einzige was ich investieren musste waren Zeit, Geduld, Reflexionsbereitschaft und die Bereitschaft, mich für neue Erfahrungen und Informationen zu öffnen.
Der Lohn dafür ist mit Geld nicht aufzuwiegen.
 
Das Ergebnis kompromissloser, autoritärer Führungsstile, bei denen Sanktionen überwiegen sind gehorsame Pferde, die es mehr und mehr aufgeben, sich auf natürliche Art und Weise auszudrücken, wenn sie für ihren Menschen arbeiten (müssen).
 
Sie lernen aus der Erfahrung: Jede Widersetzlichkeit bringt Unannehmlichkeiten bis hin zu Schmerz und deshalb vermeiden sie es immer mehr, anzuzeigen, wie sie momentan empfinden und was sie wahrnehmen. Was hier bei konsequenter Durchführung passiert, ist nichts anderes als das Pferd in den Zustand der erlernten Hilflosigkeit zu versetzen. Es wird gezwungen, seine arteigenen Triebe zu unterdrücken.
 
Wer kennt sie nicht, die Pferde, die unter dem Reiter scheinbar so vorbildlich gehorsam laufen, dabei auch entspannt wirken und die den Eindruck vermitteln, als würden sie nur auf Kommandos warten, um sie zu befolgen. Bekommen sie jedoch kein Kommando und werden sie einmal beim Reiten sich selbst überlassen, sind sie hilflos.
Sie gehen geradeaus gegen ein Hindernis, weil der Mensch es nicht davon wegkommandiert, sie stoßen gegen Bäume und Mauern, treten in Erdlöcher und haben verlernt, sich selbständig zu orientieren, sobald der Mensch die "Führung" übernommen hat.
Oder sie folgen urplötzlich dem Herdentrieb, wenn die Reitergruppe in Aufregung oder Angst versetzt wurde, was dann nur mit deutlicher, mechanischer Einwirkung zu unterbinden und kontrollieren ist.
Dafür hat der Mensch unzählige Hilfsmittel erfunden. Scharfe Gebisse, auch mit Hebelwirkung um die Schmerzeinwirkung erhöhen zu können, verschiedenste Hilfszügelarten, um die Körperhaltung kontrollieren und erzwingen zu können, Zäume, um den Pferden die Luft für Widersetzlichkeiten nehmen zu können, usw.
 
Pferde, die zu sehr unterdrückt werden, können in Situationen, in denen intensive Reize auf sie einwirken, die stärker sind als die Angst vor Bestrafung, regelrecht explosionsartige Reaktionen zeigen. Solche Exemplare nennt der Mensch dann unverbesserlich und versucht sie noch mehr zu unterdrücken.
Im schlimmsten Fall werden sie zu „Verbrecherpferden“.
Verbrecherpferde werden von Menschenhand gemacht und nicht als solche geboren!
 
Solange ein Pferd noch nicht durch und durch in seiner ganzen Persönlichkeit gebrochen wurde, oder aber als Individuum wahrgenommen und auf der Basis von Vertrauen und gegenseitigem Respekt ausgebildet wurde, wird es immer wieder Versuche unternehmen um festzustellen, wie sicher es sich in Menschenhand geführt fühlen kann.
Der Mensch bewertet dies oft als Hinterfragen seiner Macht und lässt sich auf Machtkämpfe ein, die er unbedingt gewinnen muss, sonst meint er, habe er verloren und das Pferd würde ihm nur noch auf der Nase herumtanzen.
Häufig provoziert er sie sogar in der Absicht, durch sein gnadenloses Durchsetzen dem Pferd gegenüber, bei weiteren gewonnenen Machtkämpfen, ausreichend Dominanz ausgeübt und endlich den „Respekt“ des Pferdes gewonnen zu haben.
Ja, ja, dieses Gedankengut nannte ich auch einmal mein Eigen.
 
 
 
 
 
Zur Veranschaulichung möchte ich Ihnen ein paar Schlüsselsituationen beschreiben, die ich mit meinen eigenen Pferden diesbezüglich erlebt habe.
 
Zum einen mit meinem Hafilein, Samy, den ich im Alter von 3 Monaten (viel zu früh), als "Absetzer kaufte, weil er als "Schlachtvieh" nach Italien transportiert werden sollte. Damals war ich selbst noch jung und sehr konsequent......heute würde ich sagen, viel zu verbissen, aus Angst, ansonsten vielleicht die Kontrolle verlieren zu können.
Samy war ein hochsensibles, aufmerksames, gutmütiges , freundliches Tier.
Um ihn zu erziehen bedurfte es kaum stärkerer Einwirkungen, als Stimme und "mal im richtigen Moment nen kleinen Klapps".
Knapp 5jährig begann ich mit seiner Ausbildung zum Reitpferd, die problemlos verlief.
Nie versuchte er zu buckeln, durchzugehen oder anderweitig eine meiner Forderungen zu verweigern. Ich war fit und "erfahren" genug, schon im leisesten Ansatz zu reagieren, so dass er gar keinen "eigenen Sturkopf" entwickeln konnte, den man Haflingern nachsagt.
 
Eingeritten wurde er nach den ersten Aufsteige- und Anreitversuchen im Gelände. Von Anfang an ging er problemlos alleine raus, überall dran vorbei und er kam gar nicht auf den Gedanken, irgendetwas zu verweigern oder sich zu widersetzen.
Ich hatte mir viel Zeit mit ihm gelassen, wir waren von klein auf viel im Gelände spazieren gewesen und Menschen auf dem Rücken kannte er auch schon vom Heranwachsen, da die Kinder meist beim Koppelmisten mit dabei waren und sich ab und zu auf jedes unserer währenddessen grasenden Pferde setzen durften, auch auf den kleinen Hafimann.
Das waren Leichtgewichte die er kaum spürte, so dass er sich dabei nie verspannte und Menschen am Rücken für ihn das normalste auf der Welt geworden waren. Mein Wille schien "sein Wille" zu sein, den er nie in Frage stellte. So hatte ich ihn mit viel Geduld, ohne Gewalt und mit absoluter Konsequenz erzogen. Darauf war ich stolz.
 
Nach ein paar Monaten Geländeeinreiterei ritten wir 4 Wochen lang in einem Verein den Vorbereitungskurs für das Jugendreitabzeichen, das wir natürlich bestanden.
Beim Springkurs flogen die Mitreiter reihenweise von ihren Pferden. Ich sprang immer nur einmal mit ihm und weigerte mich, weitere Probesprünge zu exerzieren. Wozu auch: Samy machte ohne Probleme mit, also wieso weiter fordern und ihn durch Überforderung sauer machen.
Wir benutzten keinerlei Hilfszügel oder andere Hilfsmittel und waren ein harmonisches Team geworden................zumindest menschlich betrachtet.
Er war ein Traum an Willigkeit und Rittigkeit und auch Kinder konnten ihn reiten, ohne dass er ihre Schwächen ausnutzte.
 
Eines Tages war ich mit ihm auf einem mehrstündigen Ausritt alleine unterwegs.
Ich „oute“ mich:
In meinem Hirn ist leider keine Schublade für Orientierungssinn vorhanden. Ich schaffe es sogar, mich in einem geräumigen Gasthaus auf dem Weg von der Toilette zurück ins Gastzimmer zu verlaufen............
Deshalb dachte ich mir auf besagtem Ritt, als ich nicht mehr wusste, in welcher Richtung der Heimathof lag: „Ich überlasse die Orientierung dem Samy.“
Bekanntlicher weise finden Pferde angeblich immer zurück in den Stall. Meine Warmblutstute hatte damit auch nie Probleme, doch mein gehorsames Hafitier scheinbar schon.
Wir standen mitten im Wald vor einer Weggabelung. Ich dachte, ich lass ihn nun die Richtung aussuchen.
- Entweder links..oder rechts - denn vor uns, geradeaus ging's rein in dichtes Unterholz.
Ich saß locker und gerade, gab ihm die Zügel hin und Signal zum Anreiten. Das, was folgte, fand ich zwar zuallererst zum Lachen, später jedoch eher traurig als lustig.
Hafilein marschierte nämlich geradeaus mit mir am Rücken ins Unterholz, ohne auch nur eine Überlegung anzustellen, selbst eine der zwei Richtungen auf dem Weg einzuschlagen.
Er war nicht in der Lage, ohne konkretes Kommando selbst eine Entscheidung in Erwägung zu ziehen, wie ich das von meiner Stute, die einen "gehörigen Dickkopf" hatte, gewohnt war. Das Beängstigende in der Situation ist aus heutiger Sicht betrachtet, dass Samy mit mir am Rücken kompromisslos auch in sein und mein Verderben gelaufen wäre, wenn ich ihn hinein gelenkt hätte. Meinen geraden Sitz, ohne Gewichts- Zügel und Schenkelhilfe, hatte er als Signal zum Geradeaus gehen angenommen, jedoch nicht als das, was es hätte sein sollen: Ein Angebot der „Freiheit“, seine Meinung zu äußern und selbst eine Entscheidung „in unserem Sinne“ zu treffen.
 
Meine Stute war ganz anderer Natur, hätte zielsicher den Heimweg eingeschlagen, was sie mir oft bewiesen hat und nach diesem Schlüsselerlebnis mit Samy fing ich an, meine eigenen Anschauungen und das, was ich bisher gelernt hatte, weiter zu hinterfragen und überdenken.
Ich hatte Samy nach damaligem bestem Wissen und Gewissen erzogen, vermied dabei schon weitestgehend Gewalt und Zwangsmittel, arbeitete mit positiver Motivation.....und dennoch hatte ich ihm seinen eigenen Willen vollkommen aberzogen.
 
Nicht mit Schlägen, Brüllen oder Sanktionen, sondern mit purer Konsequenz, die im Keim jede eigene Meinungsäußerung des Pferdes erstickt hatte.
Da ich mit der Stute anfangs große Probleme gehabt hatte, legte ich bei Samy von Anfang an unheimlich großen Wert darauf, dass er nie seinen Willen durchsetzen konnte.
So hatte man es mir beigebracht:
Pferde müssen (und wollen) 100% konsequent dominiert werden und sich immer dem Willen des Menschen beugen, sonst werden sie schwierig, unwillig, dominant und gefährlich.
Schließlich hatte ich meine Stute mit eben diesen "negativen" Eigenschaften gekauft und anfangs viele gefährliche Machtkämpfe mit ihr ausfechten müssen, bis wir einigermaßen miteinander klar gekommen waren.
Bis sie es aufgegeben hatte sich mittels frontaler Attacken, Steigen und auf Menschen Losgehen gegen Forderungen, wie zB gehorsam an der Longe laufen, zu wehren.
Ich hatte zwar durch sie schon viel gelernt, nämlich, dass der Weg über das Belohnen von gewünschtem Verhalten viel effektiver war als der Weg über das Bestrafen von dem was wir als „Ungehorsam“ interpretieren und ich hatte mein Auge intensiv im Erkennen von Ansätzen zum Ungehorsam geschult, so dass ich kaum noch wirklich „bestrafen musste“. Doch was mir damals noch fehlte, war die Fähigkeit, genauso viel Augenmerk auf die feinen Ansätze von Kooperationsbereitschaft zu legen. Zwar lobte und belohnte ich meines Erachtens schon sehr viel und deutlich, wie auch punktgenau, doch es überwog immer noch das „rechtzeitige Unterbinden von Ungehorsam“. In meinem Kopf ging ich nach dem Prinzip vor, jeden Unwillen des Pferdes, jede Äußerung von freiem Willen zu unterbinden und DANACH kam erst das Belohnen „richtig ausgeführter Forderungen
 
 
 
 
 
Das Recht auf freie Meinungsäußerung
 
Nach diesem Erlebnis mit Samy im Wald, als ich mich hilflos fühlte, weil ich nicht weiter wusste und mich gnadenlos, kilometerweit verritten hatte, begann ich schätzen zu lernen, dass Fascetta sich einen eigenen Willen behalten hatte.
 
Mehr noch:
Ich fing an, das, was ich zuvor als notwendige "Machtkämpfe im Detail" empfunden hatte, intensiver zu betrachten, andere Ursachen zu suchen und finden, als die eine, dass Pferde ständig danach bestrebt sind, die Macht an sich zu reißen, wenn sie etwas verweigern.
Ich begann den Umgang mit Samy, Fascetta und auch dem Haflinger meiner Mutter, den ich für sie als Anfängerin, eingeritten hatte, neu zu gestalten.
Ich probierte Neues aus, las, informierte mich, sah die Pferde nicht mehr als Reittiere, sondern als individuelle Persönlichkeiten mit Vorlieben und Abneigungen, beschäftigte mich viel mehr am Boden mit ihnen, massierte sie, anstatt sie nur zu putzen um sie sauber zu kriegen. Es wuchs eine ganz andere Art des Zusammenseins mit den Pferden. Ich wurde kreativ und entdeckte so vieles an ihnen, was mir bis dahin verborgen geblieben war. Es machte mir einen Heidenspaß zu erleben, wie sie neugierig und interessiert mitmachten, wenn ich sie anregte, neuartige, ungewohnte Bewegungen auszuführen und stieß unter anderem auf Feldenkrais und Linda Thellington-Jones. In deren Philosophien fand ich sehr viel Bestätigung. Der Prozess meines Weiterentwickelns hatte sich quasi verselbständigt und damit auch der der Pferde, mit denen ich zu tun hatte.
 
Als ich aufhörte Machtkämpfe mit den Pferden auszufechten und anfing sie als individuelle Persönlichkeiten wahr- und anzunehmen, konnte eine authentische, klare Kommunikation zwischen den Pferden und mir entstehen, die mir viel Wertvolleres einbrachte als „nur gehorsame“ Pferde.
 
Pferde, die jederzeit wohlwollend die Aufgaben erfüllten, die ich ihnen stellte und die mir mitteilten, wenn etwas nicht in Ordnung für sie war.
Ich unterband nicht mehr den Ansatz von Unwillen, sondern ließ ihn zu. Ich nahm ihn als „Meinung der Pferde“ an, die ich ihnen zugestehe.
Somit waren wir bei der "freien Meinungsäußerung" in einer Art Partnerschaft zwischen mir und den Pferden angelangt, die die Grundlage für unser gegenseitiges Vertrauen bildete.
Auf dieser vertrauten, gegenseitig sehr aufrichtigen Basis lehrten mich die Pferde, dass sie alles für mich tun, wenn ich sie ebenso respektiere, wie ich es von ihnen mir gegenüber erwarte.
Das fast schon "wunder"bare daran ist:
Ich brauchte mir ihre Kooperationsbereitschaft nicht mehr über kraftvolle Machtkämpfe erstreiten, sondern sie vertrauten immer mehr meinen Entscheidungen auch ohne körperliche und verbale Sanktionen.
 
Ich begriff, dass jeder Unwille, jedes Verweigern ein Geschenk des Pferdes an mich ist.
Es teilt mir damit mit, dass es gerade Angst, Schmerzen, Überforderung oder eine sonstige negative Empfindung fühlt, bei dem, was es gerade tun soll.
Meine Rolle als Partner, der für die Sicherheit und das Wohlergehen des Pferdes, meine eigene und die der Menschen um uns herum, ist, herauszufinden, welcher Reiz, welcher Einfluss die Situation so unangenehm macht und wie ich dem Pferd helfen kann, diese Situation für das Pferd so zu gestalten, dass sein positives Empfinden in der Situation überwiegt.
Viele Situationen, in denen die Pferde früher noch Ansätze von „Ausprobieren und Testen der Dominanzfrage“ gezeigt hatten, ergaben sich wie von selbst. Ich brauchte sie nur auf positive, geduldige Art davon überzeugen, dass meine Meinung, der sie anfangs nicht zustimmten, sie weder gefährdet, noch gravierende Nachteile für sie bringt, wenn sie sich mir anschließen und dem Folge leisten, um was ich sie bat.
 
Das bedeutet nicht, unangenehme Situationen zu vermeiden, den Unwillen des Pferdes damit zu beenden, dass ich ihm nachgebe und die Situation einfach verlasse.
Nein. Das würde dem Pferd keine Sicherheit im Zusammensein mit mir vermitteln, sondern es in seinem Unwohlsein bestätigen und jede weitere vergleichbare Situation würde weiteres Unwohlsein auslösen und keine wirkliche Lösung bringen.
 
Vielmehr suche ich nach Lösungen für die Situation.
Das kann zB. eine Überprüfung des gesundheitlichen Zustandes und der Haltungsbedingungen, etwas mehr Abstand zum Angstobjekt, eine andere Gangart, eine leichtere, bzw. gut sitzende Lektion zur Motivationssteigerung, das Zerlegen einer Aufgabe in kleinere Schritte, mehr Lob und Belohnung, ein Zurückschrauben der Leistungsanforderungen und mehr Zeit und Geduld usw. sein..........
.......doch niemals mehr Zwang!
 
 
 
 
Faktoren, die wichtig für effektive Lösungen sind
-Haltungsbedingungen  
Steht das Pferd in Box oder Auslaufhaltung, Offenstall, Paddockbox?   Wie ist die Gruppenzusammensetzung?
Befinden sich schlecht sozialisierte, aggressive Mitglieder darin? Herrscht Stress in der Gruppe durch Platzmangel oder inkompetentes Management, wie beispielsweise bei der Fütterung?
- Wurde der Gesundheitszustand überprüft - und zwar vom Fachmann? Hat das Pferd Zahnprobleme, Zahnwechsel?  Blockaden? Verletzungen? Verspannungen?    
- Welche Grundbedürfnisse hat ein Pferd, und wie sollten pferdegerechte Lebensumstände gestaltet sein?    
- Pferde brauchen viel Rauhfutter.    
- Was ist viel? Wieviel ist für ein Pferd gerade noch ausreichend, wieviel wäre ideal?    
- Welche Beschaffenheit hat gutes Heu und Stroh?    
-Wie unterscheidet man „gutes“ von „schlechtem“ Heu und Stroh? Welche Inhaltsstoffe hat ein Kilo Heu und ein Kilo Stroh? Wie lange braucht ein Pferd, um „seine Portion“ zu fressen, wenn es gesund ist? Woran erkennt man, dass es Probleme bei der Futteraufnahme oder in der Verdauung hat?    
-Wie ist der allgemeine Umgangston und die Atmosphäre in der Stallanlage? Wird viel gebrüllt und geschlagen? Gehen viele unsichere Personen mit den Pferden im Alltag um oder solche, die meinen, sie müssten jedes Pferd unterdrücken?    
-Wie wurde oder wird das Pferd ausgebildet? Nach herkömmlichen, überholten Stafmethoden oder nach der Lerntheorie?   Reiten mehrere Personen das Pferd, eventuell sogar auf unterschiedliche Art und Weise?    
-Sind die Anforderungen dem Pferd angepasst und abwechslungsreich, oder werden Lektionen "auf Teufel komm raus" bis ans Limit abgefordert und ständig wiederholt, ohne genügend Ruhephasen?
- Wurde die Ausrüstung überprüft? Passt der Sattel, das Gebiss? Hat sich das Pferd körperlich verändert? Drückt irgendetwas an der Ausrüstung?
   
 
In diesen und weiteren Bereichen kann man Ursachen für problematisches Verhalten finden. Wichtig ist dabei, ein individuelles Vorgehen für jedes einzelne Tier zu finden.  

 
 
Weshalb werden Pferde Futterneider?
 
Der Ernährungstrieb, Hunger wären beispielsweise eine intrinsiche Antriebsfeder, die das Pferd dazu veranlassen, ein Bedürfnis zu stillen, welches hier die Befriedigung des Kaubedürfnisses und das Sättigungsgefühl sind. Hunger zu stillen bedeutet eine überlebensnotwendige Handlung auszuführen, für die eigene Kraft zu sorgen, nämlich zu fressen und Energie zu sich zu nehmen.
Nun muss man wissen, wie die Verdauung eines Pferdes in etwa funktioniert.
Da es ständig Magensäure produziert, die die Magenwände angreifen kann, ist es darauf angewiesen ohne längere Fresspausen Nahrung zu sich zu nehmen, damit es nicht an Magenschleimhautentzündung oder Magengeschwüren erkrankt.
Außerdem braucht das Pferd ausreichend Rohfaser, damit die Verdauung optimal funktionieren kann. Krankheit wäre in der Natur lebensgefährlich. Würde körperliche Schwäche für das Pferd doch bedeuten, ein leichtes Opfer für Raubtiere zu sein.
Kann sich ein Pferd nun nicht in ausreichendem Maße Befriedigung in diesen Bereichen verschaffen, dann MUSS es reagieren, seinem Überlebensinstinkt folgen, wenn es gesund bleiben und weiterleben will.
 
In Gefangenschaft gehalten bedeutet das für ein Pferd, dass es unter ungünstigen Umständen, wie zB Mangel an Futterplätzen und/oder Mangel an Rauhfuttergaben, zur Verfügung stehendes Futter aggressiv verteidigen muss. Dies kann ein ranghöheres gegenüber einem rangniedrigeren Pferd tun.
Rangniedrige Pferde, die zu häufig von Futterplätzen vertrieben werden und nicht in Ruhe ausreichend Rauhfutter zu sich nehmen können, entwickeln Strategien, um diese Missstände zu kompensieren.
Manche scheinen geduldig und gelassen etwas abseits abzuwarten, bis sie an der Reihe sind.
Was der Mensch als geduldig und gelassen interpretiert , ist jedoch nichts anderes als der Versuch des Pferdes, keine unnötige Energie auf einen sowieso aussichtslosen Kampf ums Futter zu verschwenden und körperlich unversehrt zu bleiben.
Die Erfahrung hat dem Rangniedrigen Pferd gezeigt, dass es sich in Machtkämpfen nicht durchsetzen kann und Gefahr läuft, verletzt zu werden. Also bleibt ihm nichts anderes übrig, als energiesparend und verletzungsvermeidend, ruhig abseits zu stehen. Solche Pferde bleiben meist magerer als andere in der Gruppe, was wiederum als "schwerfuttrig" interpretiert wird. Auch neigen sie mehr als die ranghöheren Gruppenmitglieder zu Koliken und Krankheitsanfälligkeit.
Die Ursache steckt jedoch oft nicht im Pferd selbst, sondern im mangelnden Verständnis des Menschen der für die Gestaltung der Unterbringung verantwortlich ist, für die Zusammenhänge hinsichtlich pferdegerechter Lebensumstände.
Ein nicht unbeträchtlicher Anteil solcher Pferde, die "zu kurz kommen" und dadurch intensiverem Stress ausgesetzt sind, als die Ranghöheren, entwickelt obendrein "Untugenden" um die negativen Empfindungen, verursacht durch die unzureichenden Lebensumstände auszugleichen.
Um nur ein paar Beispiele zu nennen:
Koppen, Weben, Holz beißen, Fressen ungesunder Nahrungsmittel, wie Giftpflanzen oder auch das Fressen von Sand, Erdklumpen, Sägespäne und weiteren, krank machenden Dingen.
Das Pferd weiß nicht, dass der Mensch vielleicht in ein paar Stunden neues Futter bringen wird, bzw. dafür sorgt, dass es ausreichend Energie zugeführt bekommt.
 
Das Pferd lebt im Hier und Jetzt, und wenn es mehrere Stunden ohne Futter und die Möglichkeit zum Rauhfutterkauen verbringen muss, steigt das Bedürfnis der Ranghöheren, das Futter, das danach gebracht wird, zu verteidigen.
Wer schon mit futterneidischen Pferden zu tun hatte, der weiß, wie gefährlich das für den Menschen und auch nebenan stehende Pferde werden kann.
Der Mensch versucht daraufhin das aggressive Verhalten intensiv genug zu sanktionieren und das Pferd dazu zu erziehen, dass es sich "zusammenreißt", "beherrscht" und geduldig wartet, bis er es ans Futter lässt.
Hier nimmt sich der Mensch, auf in meinen Augen sehr oberflächliche Art und Weise ein Beispiel am angeblich so natürlichen Pferdeverhalten, das er bei den Pferden in Gefangenschaft beobachtet.
Man "weiß" ja, dass auch in der Natur der Ranghohe zuerst fressen darf und die Rangniedrigen stets gehorsam zu weichen haben, da es sonst Bisse und Tritte setzt.
Was der Mensch jedoch dabei vergisst:
In der Natur fressen Pferde nicht aus Futtertrögen, Raufen, in Boxen oder Futterständern. In der Natur fressen Pferde je nach Bewuchs des Geländes, in größeren Abständen zueinander und bedrängen sich nicht gegenseitig beim Fressen, weil sie alle auf ihrem Territorium in etwa dieselben Bedingungen vorfinden.
Wenn es Streitigkeiten ums Futter gibt, dann vielleicht um ein besonders saftiges Fleckchen Gras oder einen besonders frischen Zweig an einem Baum oder Strauch. Das Vertreiben beschränkt sich auf ein Vertreiben außerhalb der Individualdistanz, vielleicht ein paar Meter, und der Ranghöhere knabbert das leckere Futter, während der Rangniedrige sofort wieder den Kopf senken kann um am magereren Futterangebot zu knabbern.
Er muss weder hungern noch riskiert er bei dieser Auseinandersetzung Verletzungen. Er hat genug Platz auszuweichen und die Gewissheit, seine Bedürfnisse nach Kauen und stetiger Rohfaseraufnahme gleichzeitig mit den anderen, Ranghöheren, zu stillen.
Natürlich darf man auf keinen Fall zulassen, dass einen ein futterneidisches Pferd über den Haufen rennt, beißt oder nach einem ausschlägt! Das Pferd muss lernen zu akzeptieren, dass der Mensch die Futtersituation regelt, doch ohne ein pferdegerechtes Futtermanagement ist die Erziehung mittels Sanktionen in dieser Situation dem Pferd gegenüber äußerst unfair und erzeugt in ihm zwar ein Gefühl von untergeordnet sein, jedoch nicht auf Vertrauensbasis, sondern aus Angst und Verunsicherung.
Ist die Futtersituation für das Pferd in befriedigender Weise geregelt, wird auch der Mensch in dieser Situation keine intensiv aggressiven Methoden zum Vertreiben des Pferdes benötigen, da die intrinsische Motivation des Pferdes nicht so intensiv ist, dass es sich gezwungen fühlt, das Futter aggressiv zu verteidigen.
 
Bei vielen Pferden in Gefangenschaft spielen bezüglich ihres Verhaltens bei der Fütterung obendrein ihre Vorerfahrungen eine große Rolle.
Viele Pferde, die jahrelang die Futtersituation unter ungünstigen Bedingungen erleben mussten, lernten, dass sie nur genug abbekommen, wenn sie regelrecht aggressiv darum kämpfen.
Dieses Verhalten wenden sie in Situationen, die im Zusammenhang mit Futter stehen weiterhin an, selbst wenn sie später ausreichend gefüttert werden.
Ihre aggressiven Reaktionen sind auf Grund ihrer Lernerfahrungen durch operante Konditionierung tief verankert. Es dauert lange, bis die aggressive Grundhaltung bezüglich der Futtersituation mit der Zeit abflacht. Mit jeder Situation, die annähernd an ein ähnliches Empfinden wie in der unbefriedigten Situation aus der Vergangenheit erinnert, wird das früher erlernte Verhalten neu aktiviert.
Dazu können unter Umständen eine einzige ausgefallene oder vergessene Mahlzeit, aber auch Unregelmäßigkeit der Futterzeiten führen, was auf variable Verstärkung zurückzuführen ist, die dabei stattfindet.
Solche Pferde entwickeln sich häufig zu regelrechten Frustfressern, die sich unaufhörlich mit Futter vollstopfen, auch wenn ad libidum gefüttert wird.
Sie leben in dem Empfinden :
"Es könnte ja sein, dass bald Futtermangel herrscht", weil sie es in früheren Zeiten derart erlebt haben.
Je nach rassespezifischem Energiebedarf muss man gegensteuern, wenn ein solches Pferd irgendwann einmal mehr "Coolness" in der Futtersituation lernen und nicht verfetten soll. Zu aller erst darf das Pferd keinerlei Futtermangel mehr erleben. Bei einem bereits übergewichtigen Pferd ist das natürlich äußerst schwierig, wenn man es nicht krank füttern will.
Um die Nahrungsaufnahme einzuschränken sind Weidemaulkörbe gut geeignet.
Gleichzeitig ist es für dieses Pferd unheimlich wichtig, dass die Ressource "Futter" ständig frei erreichbar ist und die Situation derart gestaltet wird, dass das futterneidische Tier immer freien Zugang zu einem Futterplatz hat, auf dem es von anderen hungrigen Pferden nicht bedrängt wird.
Stehen zu wenige Futterplätze zur Verfügung erzeugt dies im Futterneider ein Empfinden, das ihm deutlich macht:
"Es gibt nicht genug, ich muss mein Futter verteidigen!"
Gibt es ausreichend Futterplätze, so dass alle anderen genügend Abstand halten und von ihm weiter entfernt fressen können, müssen sie ihn nicht bedrängen und quasi lauernd und abwartend hinten anstehen, was für ein Pferd die Bedeutung hat, nicht ausreichend Futterressourcen zur Verfügung zu haben. Ist der Futterneider nicht gezwungen, seinen Platz zu verteidigen, lernt er mehr und mehr, dass er stets entspannt seinem Fresszwang nachkommen kann, ohne dass aggressive Reaktionen ausgelöst werden.
Verhaltensweisen können abflachen, wenn über einen längeren Zeitraum kein Auslösereiz stattfindet und gleichzeitig volle Bedürfnisbefriedigung stattfindet, bzw. ein Verhalten, in dem Fall ruhiges Fressen ohne Aggression, positiv bestätigt wird, was in diesem Fall durch die störungsfreie Befriedigung des Kaubedürfnisses und der Sättigung stattfindet.
Beobachtet man solche Pferde beim Grasen auf gut bewachsenen Weiden, so stellen sie sich gerne selbst oft weit abseits, wo sie ungestört fressen können und zeigen dabei keine aggressiven Verhaltensweisen , solange ihnen kein anderes Pferd zu nahe tritt.
Sie sind keine "aggressiven Pferde" an sich, sondern reagieren nur sehr deutlich auf für sie unbefriedigend gestaltete Futterbedingungen.
Ihr Bedarf an Individualdistanz in Situationen die mit Nahrungsaufnahme zu tun haben, ist nur deutlich erhöht.
Auf mageren Weiden, die für alle Gruppenmitglieder nicht mehr genug hergeben um ausreichend zu kauen und satt zu werden, verändert sich ihr Verhalten auch auf der Weide, die ja eine begrenzte Fläche darstellt.
Wird in dieser Situation nicht ad libidum auf ausreichend Futterplätzen zu gefüttert, muss der Futterneider sowohl „seinen“ großen Raum, seine Individualdistanz, die sich unter diesen Umständen deutlich erhöht, auf der magere Weide und auch die Futterplätze verteidigen, da er sich instinktiv an die früheren Notzeiten erinnert fühlt.
 
 
 
 
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